Innerhalb der Enkelgeneration Johann Sebastian Bachs war Johann Michael zweifelsohne derjenige seines Geschlechts, welcher der Musik am stärksten verbunden war. Seine vielfältigen Tätigkeiten als Mitglied einer Hofkapelle, als Kantor, als Student, als Jurist und schließlich auch als Musik- und Sprachenlehrer sowie sein weitgefächertes Oeuvre überragen Leben und Werk der anderen jüngeren Mitglieder der Musikerdynastie um ein Vielfaches.
Auch seine Reisetätigkeit steht in Konkurrenz zu denen der gesamten Bach-Sippe. Wenn Johann Michael tatsächlich eine Reise nach Amerika unternommen hätte – so benennen es ja Johann Nicolaus Forkel und der Nachruf in der Elberfelder „Allgemeinen Zeitung“ – dürfte er das erste Mitglied der Bach-Familie überhaupt gewesen sein, das amerikanischen Boden betreten hat, noch ehe überhaupt die ersten Kompositionen eines Johann Sebastian dort bekannt waren.
Johann Michaels Leben ist repräsentativ für die soziologische Veränderung, die der Musikerstand seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert erfahren hat: Er ist verhaftet in alten Strukturen und Formen und schafft fernab von Musikzentren doch Neues und Individuelles.
In seinen geistlichen Kantaten, seinen Klavierkonzerten, Klaviersonaten, Menuetten und Liedern knüpfte er an alte Strukturen an, führte sie in ihrer Ausprägung und ihrem Stil aber empfindsamer und damit zeitgemäßer weiter.
Über die Qualität seiner Werke gibt vor allem der Umstand Aufschluss, dass sie versehentlich Johann Sebastian Bach selbst und auch seinen Söhnen Carl Philipp Emanuel und Johann Christian zugeschrieben wurden. Bearbeitungen der Klavierkonzerte für zwei Cembali durch Peter August (1726-1787) am Hofe zu Dresden sollten der Lehre und der Unterhaltung dienen. Auch dafür eigneten sich Johann Michaels Werke bestens.
Wer als Musiker den Namen Bach trägt, wird immer der Gefahr unterliegen, mit den übergroßen Vorbildern dieses Geschlechtes verglichen zu werden. Sicherlich mögen Johann Michaels Kompositionen nicht so bedeutend sein wie die anderer Familienmitglieder und Komponisten seiner Zeit, aber sie stellen doch ein anmutiges und charakteristisches Zeugnis einer Kunst dar, die der musikalischen Praxis entsprungen ist: Handwerklich solide gearbeitet erreichen sie durch ihre edle melodische Erfindung, ihre farbige Instrumentation und ihre klassizistische Einfachheit einen nicht zu unterschätzenden Reiz.
Und so nimmt Johann Michael Bach in zweierlei Hinsicht eine nicht unbedeutende Stellung in der Musikgeschichte ein:
- Er ist ein exemplarisches Bindeglied zwischen dem angestellten und damit von einer Institution abhängigen Musiker und der neuen aufstrebenden autonomen Künstlerpersönlichkeit. Kritik übt er daher auch an der „wohlhabenden Classe der Zeitgenossen“, deren Kennzeichen es war, „weniger auf Kultur als auf Subordinations-Zwang“ (Vorwort der Schweizer Naturszenen) zu zielen. Johann Michael war ein kleiner Revoluzzer, der mit der Idee der autonomen Künstlerpersönlichkeit aber letztlich scheiterte.
- Johann Michael hatte mehrere Ämter bekleidet, die ihn auf verschiedene Art und Weise musikalisch hatten tätig werden lassen. Zwar war Johann Sebastians Enkel Wilhelm Friedrich Ernst ebenfalls in etwa demselben schöpferischen Umfang tätig, doch bricht er mit der Tradition der Bach-Familie: Als Komponist und Lehrer war er lediglich in höfischen Diensten angestellt. Mit Johann Michaels Tod endet die Tradition der Musikerfamilie, deren Mitglieder über Jahrhunderte hinweg alle erdenklichen Ämter innehatten. Johann Michael war zwar nicht der letzte Musiker der Bach-Familie – Wilhelm Friedrich Ernst starb 1845 – wohl aber der letzte in dieser großen Tradition stehende Musiker.